Chumbawamba kennen wir spätestens seit ihrem Hit „Tubthumping“ („I get knocked down… pissing the night away“) aus dem Jahre 1997. Dieser Titel war zwar nicht unbedingt typisch für die Band mit der Punk-Mentalität und dem Freidenken, die sie über alle musikalischen Stile erhaben macht, aber zeigte schon damals die Folk-Einflüsse, die Chumbawamba nun mit Akkordeon, Trompete, Acapella Gesängen und anderen akustischen Spielereien auf 25 Tracks ausreizen. Dazu bringen sie den längsten Plattentitel der Musikgeschichte ins Spiel! Er setzt sich aus 156 Wörtern zusammen und beginnt mit „The Boy Bands Have Won …“ Dieses konzeptionelle, pathetische Statement möchte ich hier kurz übersetzen:
Die Boy Bands haben gewonnen, und alle Kopisten und Tribute-Bands und TV-talent-Shows zeigen, dass Produzenten gewonnen haben, wenn wir unserer Kultur erlauben, durch Grimassen gestaltet zu werden, ob aus Mangel an Ideen oder durch übertriebene Remakes. Sie sollten nie versuchen, Kultur erstarren zu lassen. Was Sie tun können, ist diese Kultur wieder zu verwenden. Sie nehmen die Konfektionsjacke Ihres älteren Bruders und entwerfen sie wieder, formen sie wieder zu dem Punkt, wo es Ihr eigenes wird! Dennoch strahlen sie so keine kreative Geschichte aus, oder erhalten so Kunst und Musik und Literatur, starr, unantastbar unter einer Käseglocke. Die Leute, die versuchen, jede besondere Form der Musik ‚zu schützen‘, sind, wie die Abschreiber und Retorten-Bands, der schlimmste Dienst (an der Kultur), eben weil sie es tun, das einzige was sie zur Kunst beitragen können und sie so beschädigen wird, sie nicht ändern zu können, nichts eigenes zu schaffen. Dann stirbt es, dann ist es zu Ende, dann wird es erreicht sein, und die Boy Bands haben gewonnen.
Das Chumbawamba schon immer politisch aktiv und sozialkritisch waren ist ja nichts Neues. Das war schon vor 20 Jahren so, als sie ihr erstes Album „Pictures of Starving Children Sell Records“ als Reaktion auf Live Aid herausbrachten. Auch jetzt setzen sie sich mit der modernen Problematik der gegenwärtigen Musikkultur auseinander. Weitere wichtige Dichtungen über Krieg, Tod, Schlüpfer und den Motorfahrrad-Unfall des Herrn Bateman thematisieren natürlich mehr den eigenwilligen Humor der Briten. Das reicht sogar bis Bertold Brecht („To a little Radio“). Alles in Allem machen sie eine gute Figur. Es gibt ein Lied über Gary Tyler, einen unschuldigen Mann, der dreißig Jahre als Gefangener auf Amerikas Exikutionslistet stand. Natürlich auch ein Liedchen über Margaret Thatcher. Als besonderes Highlight dürfte aber die wahre Geschichte über El Fusilado, den Mann, der eine standrechtliche Erschießung überlebte, in die Musikgeschichte eingehen. Chumbawamba machen gute Laune mit kritischen Tönen, eine Konstante auf die man auch bei „The Boy Bands have won“ zählen kann. Köstlich.
release 28.03.2008, Westpark MusicTweet